Der Landrat des Landkreises Ostprignitz-Ruppin hat als untere Kommunalaufsichtsbehörde eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rheinsberg am 29. April 2024 einberufen. Die Kommunalaufsichtsbehörde hat sicherzustellen, dass die Verwaltung der Gemeinden im Einklang mit dem Gesetz erfolgt.
Die Einberufung der Stadtverordnetenversammlung zur Sondersitzung am 29. April 2024 erfolgt unter verkürzter Ladungsfrist, da der Bürgermeister der Stadt trotz klarer Anträge und mehrfacher Aufforderungen dem nicht nachgekommen ist.
Vorausgegangen war ein Antrag der Fraktionen der SPD, CDU und DIE LINKE der Stadtverordnetenversammlung auf Durchführung einer Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung. Dieser Antrag wurde am 15. April 2024 gestellt. Die Dringlichkeit der Durchführung einer solchen Sitzung wurde seitens der Antragstellenden entsprechend begründet. Sie tragen vor, dass der Trägerwechsel des Kurt Tucholsky Literaturmuseums laut einem beschlossenen Antrag vom 18. Dezember 2023 in der Stadtverordnetenversammlung Rheinsberg bereits zum 1. April 2024 vorgesehen war. Dieser Zeitplan habe sich u.a. auch durch Beanstandungen des Bürgermeisters der Stadt Rheinsberg in Bezug auf einen Beschluss vom 22. Februar 2024, der neben weiteren Punkten die bedingungslose Aushändigung für die Übertragung an den Landkreis notwendiger Unterlagen vorsah, immer weiter verschoben. Der langjährige Museumsleiter Herr Dr. Peter Böthig befindet sich mittlerweile im Ruhestand, seine Mitwirkung war in Zusammenhang mit dem Trägerwechsel zum 1. April 2024 vorgesehen.
Nach Ansicht der Antragstellenden der Sondersitzung verweigere sich der Bürgermeister den Verhandlungen mit dem zukünftigen Träger. Der Bürgermeister habe bereits Fakten geschaffen mit der Ausschreibung einer gemeinsamen Leitungsstelle für die Touristeninformation und das Kurt Tucholsky Literaturmuseums. Der Entwurf einer öffentlich-rechtlichen Vereinbarung zum Trägerwechsel liegt dem Bürgermeister bereits seit dem 8. März 2024 vor. Dieser Trägerwechsel sei zur langfristigen Sicherung des Kurt Tucholsky Literaturmuseums notwendig und wirke sich nicht nachteilig auf die Stadt Rheinsberg aus, so die Antragsteller. Das Kurt Tucholsky Literaturmuseum bleibe mit sämtlichen bisherigen Angeboten in Rheinsberg. Die hohe wissenschaftliche Qualität werde gesichert. Für die Menschen in Rheinsberg und die Gäste der Stadt ändere sich nichts. Vertraglich werde zudem gesichert, dass die Sammlung auch bei einer Veräußerung in Rheinsberg verbleibt. Die Stadt werde zudem von Verwaltungsarbeit entlastet. Die Leitung der Tourismusabteilung könne sich ausschließlich um diesen für die Stadt so wichtigen Wirtschaftszweig kümmern.
Entsprechend der Regelungen der Kommunalverfassung ist die Stadtverordnetenversammlung unverzüglich einzuberufen, wenn mindestens ein Fünftel der gesetzlichen Anzahl der Gemeindevertreter die Einberufung verlangen. Unverzüglich in diesem Sinne bedeutet, ohne schuldhaftes Zögern zu handeln. Das in der Kommunalverfassung geforderte Quorum wurde mit dem gemeinsamen Antrag der Fraktionen SPD, CDU und DIE LINKE erfüllt, sodass die Einberufung unverzüglich vorzunehmen war.
Dem Begehren der Antragstellenden ist der Vorsitzende der Stadtverordnetenversammlung mit Einladung vom 23. April 2024 insoweit nur nachgekommen, als er eine Sondersitzung erst für den 13. Mai 2024, 18.15 Uhr, einberufen hat. Damit soll die am 15. April 2024 beantragte Sondersitzung eine Stunde vor der ordentlichen Sitzung der Stadtverordnetenversammlung stattfinden. Hiermit ist keine Unverzüglichkeit im Sinne des Gesetzes gegeben. Darüber hinaus wird mit der Ladung zu einer Sondersitzung unmittelbar vor der ordentlichen Sitzung dem Sinn und Zweck einer Sondersitzung nicht mehr Rechnung getragen, da in diesem Fall nur eine faktische Erweiterung der Tagesordnung der ordentlichen Sitzung am selben Tage vorgelegen hätte. Dem Willen des Gesetzes nach soll gerade einer Minderheit die Möglichkeit gegeben werden, die Einberufung einer Sitzung außerhalb des regulären Sitzungslaufes zu verlangen. Die vom Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung vorgenommene Festsetzung des beantragten Tagesordnungspunktes auf der Tagesordnung des Hauptausschusses am 29. April 2024 und der regulären Sitzung der Stadtverordnetenversammlung am 13. Mai 2024 genügt dem insoweit eindeutigen Willen der Antragstellenden nach einer Sondersitzung gerade nicht. Beantragt wurde eine Sondersitzung der Stadtverordnetenversammlung nach § 34 Abs. 2 Ziff. 1 Alt. 1 BbgKVerf und nicht eine hiervon losgelöste Aufnahme eines Tagesordnungspunktes nach § 35 Abs. 1 S. 2 BbgKVerf. Auch die Einberufung des Ältestenrates zum 29. April 2024 genügt dem Willen der Antragstellenden erkennbar nicht.
§ 34 Abs. 2 BbgKVerf dient dem Minderheitenschutz. Die Einberufung der Stadtverordnetenversammlung durch die untere Kommunalaufsichtsbehörde ist geeignet, diesen Zweck zu erreichen. Die Einberufung durch die untere Kommunalaufsichtsbehörde ist für die Zweckerreichung auch erforderlich. Insbesondere führten die Schreiben der unteren Kommunalaufsichtsbehörde vom 22. April 2024 und 23. April 2024 an den Vorsitzenden der Stadtverordnetenversammlung und den Bürgermeister der Stadt Rheinsberg nicht dazu, dass dem Minderheitenschutz des § 34 Abs. 2 BbgKVerf Rechnung getragen wurde. Die Einberufung der Sondersitzung durch die untere Kommunalaufsichtsbehörde ist schließlich auch angemessen, weil die Regelung § 34 Abs. 2 BbgKVerf andernfalls ins Leere liefe.
Die Einberufung der Stadtverordnetenversammlung zur Sondersitzung am 29. April 2024 erfolgt unter verkürzter Ladungsfrist. Gemäß § 2 Abs. 4 Geschäftsordnung der Stadtverordnetenversammlung der Stadt Rheinsberg (GO) kann die Ladungsfrist in dringenden Fällen auf drei volle Tage vor dem Sitzungstag abgekürzt werden. Die Dringlichkeit ist in der Einladung zu begründen. Entsprechend den der unteren Kommunalaufsichtsbehörde bekannten Umständen sind die Voraussetzungen einer Ladung unter verkürzter Ladungsfrist gemäß § 2 Abs. 4 GO gegeben. Die Einladungen wurden durch die untere Kommunalaufsichtsbehörde fristgerecht in die Briefkästen der Mitglieder der Stadtverordnetenversammlung geworfen.