Mit der Einheit begann für die Menschen in den damaligen Kreisen Neuruppin, Kyritz und Wittstock eine Zeit mit vielen teils radikalen Umbrüchen. Es herrschte Verunsicherung, Lebensentwürfe und vielleicht schon gefasste Zukunftspläne wurden hinfällig. Die vertraute Umgebung veränderte sich. Nachbar:innen waren nicht mehr da, junge Menschen verließen - auf der Suche nach beruflichen Perspektiven - ihre Heimat. Eltern und Großeltern blieben häufig zurück. Bald war erkennbar, dass die Zukunft zwar die erkämpfte Freiheit brachte, aber mit ihr auch große Herausforderungen, die den Menschen hier viel abverlangte. Viele Betriebe wurden geschlossen, die Arbeitslosigkeit stieg, die gesamte Region war im Wandel. Es brauchte viel Mut, Flexibilität, Unternehmungsgeist und den Willen anzupacken und nach vorne zu schauen. Heute - 35 Jahre später - zeigt sich: Ostprignitz-Ruppin hat sich erfolgreich auf den Weg gemacht. Die Menschen hier haben Ihre Zukunft selbst in die Hand genommen und vieles erreicht.
Die 1990er Jahre waren eine Härteprobe und viele hatten Existenzangst. Die Arbeitslosenquote lag zeitweise bei mehr als 15 Prozent. Mit Hilfe von Förderprogrammen, der Ansiedlung neuer Unternehmen und dem Ausbau von Gewerbegebieten wurde viel bewegt, um die Richtung zu ändern. Der unermüdliche Einsatz vieler Kommunalpolitiker:innen in den Kommunalvertretungen auf Kreis- und Gemeindeebene in zahlreichen Sitzung - teils bis spät in die Nacht - leistete unermesslich viel. Auch vor dem Hintergrund der Gemeinde- und Kreisgebietsreform, die gewohnte Strukturen und jahrzehnte andauernde Beziehungen zwischen Orten grundlegend veränderte. Sie gaben nicht auf, sondern packten an und hatten den Mut zu Veränderungen.
Heute liegt die Arbeitslosigkeit annähernd bei weniger als der Hälfte der 1990er Jahre. Im Jahr 2022 sank die Quote sogar erstmals auf 6,0 Prozent. Das ist der niedrigste Wert seit 1990.
Ostprignitz-Ruppin hat einen außerordentlichen Strukturwandel erlebt, von einer agrargeprägten Region mit Feldern, Tierzucht und Gartenanbau zu einem vielfältigen Wirtschaftsstandort mit stabilen, anpassungsfähigen mittelständischen Unternehmen. Zwar brachen große Betriebe wie beispielsweise das Trikotagenwerk in Wittstock/Dosse weg, aber Neues entstand. Moderne Industriezweige wie die Ernährungs-, Holz- und Kunststoffverarbeitung sowie eine wachsende Logistikbranche prägen heute das Bild. Es gibt eine Universität für Medizin und Psychologie und ein Universitätsklinikum, welches sich langsam - auch durch den Einsatz der Kreispolitik und der Bereitstellung von finanzieller Unterstützung - stabilisiert. Die Bruttowertschöpfung ist seit den 1990er Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Region verzeichnet überdurchschnittliche Zuwächse in Brandenburg. Die Nähe zu Berlin und Hamburg sowie die gute Anbindung an die A24 machen den Landkreis attraktiv für Investoren und Bewohner:innen.
Das durch den Kreistag beschlossene Kreisentwicklungskonzept 2035+ setzt auf Innovation, auf neue Lösungsansätze für die Herausforderungen der Daseinsvorsorge im ländlichen Raum sowie den weiteren Ausbau der Infrastruktur, um OPR als Wirtschaftsstandort gut zu entwickeln.
Was nach wie vor fehlt, ist eine gute Bahnverbindung für Pendler:innen von und zu den Metropolen Berlin und Hamburg sowie an den Hafen in Rostock. Dies zu erreichen wird noch ein starkes Stück Arbeit sein. Seit den 1990ern wurde der Ausbau des RE 6 zugesagt. Es ist notwendig, hier nicht nachzulassen und diesen weiter einzufordern.
Die Geschichte Ostprignitz-Ruppins bzw. der Altkreise bis 1993 ist seit der Wiedervereinigung eine Geschichte des Muts und der Anpassungsfähigkeit, der Hartnäckigkeit auf Probleme aufmerksam zu machen und diese anzupacken. Die Lebensqualität ist deutlich gestiegen, aber es gibt noch viel zu tun in einer Zeit, in der sich die ganze Welt im Umbruch befindet. Das spüren auch die Menschen in Ostprignitz-Ruppin.
Die Stärke, die großen Veränderungen in den 1990er Jahren zu meistern und wichtige Weichen für eine gute Entwicklung zu stellen, bestand vor allem darin, dass die Menschen zusammengehalten haben, sich unermüdlich eingesetzt haben und letztendlich das geschaffen haben, was bis heute hier erreicht worden ist. Gemeinsam gehandelt wurde - über Parteigrenzen und Unterschiede hinweg - auch in den vielen kommunalen Vertretungen. Heute ist es wichtiger denn je, sich auf diese Stärke zu besinnen, Unterschiede als Perspektiven wertzuschätzen und weiter gemeinsam anzupacken, nicht aufzugeben und mutig nach vorne zu schauen. Die Einheit ist noch nicht gänzlich vollzogen. Nicht in den Köpfen, nicht im Geldbeutel und nicht in Teilen der Infrastruktur, aber Ostprignitz-Ruppin ist auf einen guten Weg.