Nachempfinden, was Menschen mit Demenz bewegt
Selbsterfahrungen beim Demenzparcours des Landkreises
Es sind die vermeintlich so simplen Dinge, die im Alltagsleben nicht mehr klappen wollen wie früher: Wenn das Zuknöpfen von Hose oder Bluse zur anstrengenden Geduldsprobe wird, das Einkaufen sich zu einer überaus komplizierten Angelegenheit entwickelt oder der Teller in der Küche zum x-ten Mal aus der Hand gleitet. Menschen mit Symptomen von Demenz stoßen in ihrem Alltag auf zahlreiche Hindernisse und somit auch auf Herausforderungen, die sie selbst oftmals verzweifeln lassen und bei Mitmenschen häufig für Unverständnis und Hilflosigkeit sorgen. Selbst für Angehörige, die an Demenz erkrankte Menschen schon seit etlichen Jahren betreuen, ist es oftmals nicht einfach, sich in die Situation eines Betroffenen zu versetzen. Und für die Demenzerkrankten werden spürbare Ungeduld und mangelndes Verständnis zu einer zusätzlichen Belastung, da sie sich unverstanden, abgehängt und nicht selten auch allein gelassen fühlen. Mit einem Demenzparcours, der vom Pflegestützpunkt des Landkreises angeboten wird, sollen die Herausforderungen, vor denen Demenzerkrankte tagtäglich stehen, erlebbar gemacht und damit für mehr Verständnis bei den Mitmenschen geworben werden. Sozialberaterin Laura Wenz vom Pflegestützpunkt Neuruppin erklärt die Hintergründe: „Bei unserem Demenzparcours geht es nicht darum, eine Demenzerkrankung zu erkennen, sondern Menschen mit Demenzerkrankungen besser verstehen zu lernen und ihnen mit mehr Empathie im Alltag zu begegnen. Menschen, die nicht an Demenz erkrankt sind, können durch spielerisches Ausprobieren ein Gefühl dafür bekommen, wie Symptome einer Demenz Alltagssituationen erschweren können. Erst nach dem Durchlaufen des Parcours wird manchen das erste Mal wirklich bewusst, dass wir von Erkrankten häufig zu viel verlangen oder fordern.“
Der Demenzparcours besteht aus insgesamt dreizehn Stationen und lässt uns teilhaben am fiktiven Leben von Erna Müller. Jede Station ist verbunden mit einer Geschichte aus ihrem Alltag. Und diese beinhaltet Situationen, in denen Erna Müller durch ihre Erkrankung immer wieder an Grenzen stößt, dabei Frustration bis hin zu Wut empfindet. Die Hilflosigkeit von Erna Müller soll an den Stationen simuliert werden. Eingebaute Handicaps sollen dabei auch für Menschen ohne Demenz die Eingeschränktheit erfahrbar machen, so etwa an den Stationsboxen. Das sind kleine Holzkästen, die es im wahrsten Sinne des Wortes in sich haben: In den Kästen ist jeweils ein Spiegel eingebaut. Nur über diesen Spiegel sind die eigenen Hände sichtbar, mit denen Aktionen nach Anleitung durchgeführt werden. Und das sorgt in der Regel für Irrungen, Wirrungen und unkontrollierbares Handeln, beispielsweise dann, wenn mit einem kleinen Löffel Glaskugeln in Gläser befördert werden sollen. Die Sichtbarkeit der Aktion nur über den Spiegel überfordert stellenweise das Hirn, im Grunde einfache Übungen werden zur Mega-Herausforderung. Schon alleine das Zeichnen eines Sterns oder einer Sonne über den Umweg Spiegel lässt einen schier verzweifeln – und häufig hat das auf das Papier gekritzelte Endprodukt nur im Entferntesten mit dem zu tun, was es eigentlich darstellen sollte.
Aber es gibt noch weitere Möglichkeiten, die Folgen einer Demenzerkrankungen auch schon in jüngeren Jahren zu simulieren, so Kerstin Matthes vom Team Sozialmanagement beim Amt für Soziales: „Wir bieten außerdem eine Graue-Star-Brille an, die man sich beim Demenzparcours aufsetzen und damit die verschwommene Perspektive eines Menschen mit eingeschränkter Sehfähigkeit erfahren kann. Spannend ist auch GERT, der Alterssimulationsanzug, mit dem man quasi in die Haut eines alten Menschen schlüpfen kann, um all die damit verbundenen Handicaps kennen zu lernen. Das sind Erfahrungen, die man so schnell nicht vergessen wird.“ Erkenntnisse, die so gewollt sind und zumindest andeuten, wie es ist, wenn Gewohntes nicht mehr gelingen will und beschämt zu sein, weil alle Anstrengungen, dagegen anzukämpfen, erfolglos bleiben. Kerstin Matthes: „Es sind nur dreizehn kurze Stationen bei unserem Demenzparcours. Aber es können Momente sein, die gewohnte Sichtweisen und Denkmuster völlig auf den Kopf stellen. Wir können nur jedem empfehlen, mal diese Erfahrungen mit dem Demenzparcours zu sammeln.“
Der Demenzparcours kann als Schulungsmaterial für Schüler:innen und Studierende, für Fachkräfte aus dem Gesundheitswesen und der Altenhilfe dienen. Aber auch für Angehörige, Ehrenamtliche und alle, die sich für Menschen mit Demenz engagieren, kann der Parcours wertvolle Hilfestellung leisten. Der Demenzparcours kann, ebenso wie der Alterssimulationsanzug GERT, kostenlos ausgeliehen werden. Interessierte können gerne Kontakt mit Kerstin Matthes aufnehmen: Entweder telefonisch unter der Rufnummer 03391/ 688 - 5039 oder per E-Mail an kerstin.matthes@opr.de.
Sie benötigen darüber hinaus eine umfassende und kompetente Beratung beim Thema Pflege? Dann stehen Ihnen die Pflegestützpunkte im Land Brandenburg zur Verfügung. Neben dem vielfältigen Expertenwissen verfügen die Mitarbeitenden der Pflegestützpunkte über ein umfangreiches Netzwerk, welches in den individuellen Fällen optimal einbezogen werden kann. Die Zusammenarbeit mit Organisationen, mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern sowie mit Selbsthilfegruppen kommt insbesondere Menschen zugute, die an einer Demenz erkrankt sind. Das dient der Entlastung der pflegenden Angehörigen. Engagierte Pflege- und Sozialberaterinnen und -berater begleiten Sie optimal durch den Leistungsdschungel und die Angebotsvielfalt in der Pflege. Die Beraterinnen und Berater werden bei Rechtsfragen von erfahrenen Juristinnen und Juristen unterstützt. Die Beratungen, die neutral und kostenfrei sind, können telefonisch, persönlich in den Pflegestützpunkten, in den Außenstellen vor Ort oder bei Ihnen zu Hause stattfinden. Rufen Sie einfach Ihren Pflegestützpunkt an oder schreiben Sie auch gern eine E-Mail.
Weitere Informationen auf der Webseite des Pflegestützpunkte im Land Brandenburg.