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Fachtag zum Schutz von Frauen und Kindern bei Partnerschaftsgewalt in Neuruppin

Kristina Borrock, Leiterin des Amtes für Familien und Jugend OPR, tauscht sich mit Staatssekretärin Antje Töpfer (rechts) aus. © LK OPR
Kristina Borrock, Leiterin des Amtes für Familien und Jugend OPR, tauscht sich mit Staatssekretärin Antje Töpfer (rechts) aus. © LK OPR

„Gewalt an Frauen muss systematisch bekämpft und als ein breites Gesellschaftsproblem anerkannt werden." Mit diesen Worten eröffnete Antje Töpfer, Frauenstaatssekretärin in Brandenburg den Fachtag „Istanbul goes OPR – Fachtag zum Schutz von Frauen und Kindern bei Partnerschaftsgewalt“ am Dienstag im Alten Gymnasium in Neuruppin. Sie fuhr fort: "Schläge in der Partnerschaft sind keine Privatsache. Die Tötung der Freundin ist kein Beziehungsdrama, und auch der Mord an der (Ex-)Frau vor der Selbsttötung ist kein erweiterter Suizid. Es ist ein Mord an einer Frau – ein Femizid." Zu der Veranstaltung, die im Rahmen der 33. Brandenburgischen Frauenwochen "Bei uns doch nicht!" auf Einladung der Gleichstellungsbeautragten des Landkreises OPR und der Stadt Neuruppin und in Zusammenarbeit mit dem Arbeitskreis "Umgangsrecht im Kontext häuslicher Gewalt" stattfand, waren Fachkräfte zur Podiumsdiskussion, darunter Vertreterinnen des Jugendamtes des Landkreises, der Opferhilfe Brandenburg, der Täterarbeit und des Frauenhauses sowie Interessierte zusammengekommen, um sich über Möglichkeiten zur Prävention und Bekämpfung geschlechtsspezifischer Gewalt gegen Frauen auszutauschen. Der Landkreis Ostprignitz-Ruppin möchte auf die konkrete Umsetzung der Istanbul-Konvention hinwirken – dem Übereinkommen des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und häusliche Gewalt. 

"Die Istanbul-Konvention ist der Kompass im Kampf gegen Gewalt und Diskriminierung, das Land Brandenburg hat sich diesem Kompass verpflichtet", erklärte Staatssekretärin Antje Töpfer. "Grundvoraussetzung dafür sind Vernetzung und Zusammenarbeit von nicht-staatlichen und staatlichen Organisationen. Im Landkreis Ostprignitz-Ruppin leistet unter anderem der Arbeitskreis ‚Umgangsrecht im Kontext häuslicher Gewalt‘ hervorragende Präventionsarbeit, der mit seinem beispielhaften Präventionsansatz und der damit verbundenen interdisziplinären Strategie zur Vorbeugung von Straftaten herausragende Arbeit macht.“ Erst im vergangenen Jahr war dieser Arbeitskreis, in dem Polizei und Justiz mit Opferverbänden, Jugendamt, dem Frauenhaus und anderen Instituitionen im Bereich der Täterarbeit zusammenarbeiten, für sein Engagement mit dem Präventionspreis des Landes Brandenburg ausgezeichnet worden. "Der Preis ist Anerkennung, aber vor allen auch – und das will ich hier betonen - ein Auftrag am Ball zu bleiben und diesen Teil der Istanbul-Konvention mit Leben zu erfüllen", sagte Kristina Borrock, Leiterin des Amtes für Jugend und Familien des Landkreises OPR in ihrem Grußwort zur Veranstaltung und fügte hinzu: "Es gibt noch sehr viel zu tun."

Bei der Veranstaltung in Neuruppin kamen Fachkräfte und Interessierte zusammen. © LK OPR
Bei der Veranstaltung in Neuruppin kamen Fachkräfte und Interessierte zusammen. © LK OPR

Zugleich begrüße sie die Entscheidung des Bundes, die Istanbul-Konvention in Deutschland umzusetzen, sagte die Jugendamtsleiterin. "Es gilt bei häuslicher Gewalt hinzuschauen statt wegzuschauen!", fand sie deutliche Worte. "Gewalt hat viele Gesichter: Stalking, physische, psychische und sexuelle Gewalt. Es geht darum, zu sensibilisieren. Aufmerksam zu sein. Und vor allem präventiv zu wirken. Gerade das Thema häusliche Gewalt ist etwas, was die alltägliche Arbeit von Jugendämtern häufig berührt. Gewalt in der Partnerschaft, aber auch Gewalt gegen Kinder. Diese Gewalt zu erkennen, zu verhindern, zu beenden, und den Betroffenen Hilfestellungen zu geben, gehört zu den grundlegenden Aufgaben eines Jugendamtes." Gerade im ländlichen Raum seien die Wege zur nächsten Beratungsstelle oder Schutzeinrichtung für Frauen oft nur schwer zu bestreiten, weiß auch die Landesgleichstellungsbeauftragte Manuela Dörnenburg. "Besonders vulnerable Gruppen wie Menschen mit Behinderungen oder mit fehlenden Deutschkenntnissen haben Probleme einen geeigneten Platz und Beratung zu bekommen. Aber auch die mitbetroffenen Kinder, die die Frauen oftmals begleiten, brauchen gute Möglichkeiten, zur Ruhe zu kommen. Wir stehen vor der Herausforderung, die notwendigen Standards der Istanbul-Konvention umzusetzen und allen von häuslicher Gewalt betroffenen Frauen Hilfe zuzusichern. Es freut mich, dass der Landkreis Ostprignitz-Ruppin bereits seit einigen Jahren hier gute Arbeit leistet“, so Manuela Dörnenburg.

Besonders in Trennungssituationen sei es wichtig und notwendig, die Opfer zu schützen, die Kinder zu schützen und auch mit den Tätern zu arbeiten, betonte Kristina Borrock. "Denn ein guter Umgang kann nur dann erfolgen, wenn ganzheitlich gearbeitet wird." Mit Dagmar Freudenberg aus Göttingen hielt eine absolute Expertin zum Thema Täterarbeit den Input-Vortrag an diesem Fachtag in Neuruppin. Die Staatsanwältin im Ruhestand ist nicht nur beratend für das Bundesministerium für Familien, Senioren, Frauen und Jugend tätig, sondern gilt als Fachfrau im Bereich des Opferschutzes und der Täterarbeit. Bereits 2007 war sie Gründungsmitglied des Vereins "Wege ohne Gewalt Göttingen", der sich der Täterarbeit in Fällen häuslicher Gewalt widmet. Beim Deutschen Juristinnenbund leitete sie zudem von 2001 bis 2017 die Kommissionen "Gewalt gegen Frauen und Kinder" sowie "Strafrecht" und ist dort seit 2018 zudem Vorsitzende der Kommission für die Istanbul-Konvention.

Die „Istanbul-Konvention“ ist das erste internationale Abkommen, das einen umfassenden rechtlichen Rahmen zum Schutz von Frauen vor körperlicher, sexueller oder psychischer Gewalt schafft. Die Istanbul-Konvention enthält klare Forderungen und Handlungsanweisungen zu den Themen Gewaltprävention, Opferschutz, Strafverfolgung und Sanktionierung. 2018 ist die Istanbul-Konvention in Deutschland in Kraft getreten. Damit sind sowohl Bund als auch Länder gesetzlich verpflichtet, Frauen und ihre Kinder vor allen Formen von Gewalt zu schützen und diese zu verhindern beziehungsweise zu beseitigen. Auch in Brandenburg ist die Umsetzung der Konvention ein erklärtes Ziel der Landesregierung. Dafür soll der weiterentwickelte Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und ihre Kinder (LAP) noch in dieser Legislaturperiode vom Kabinett verabschiedet werden. Für die Frauenhäuser und die Umsetzung der Istanbul-Konvention stehen im Haushalt des Ministeriums für Soziales, Gesundheit, Integration und Verbraucherschutz  ab 2023 knapp 1,96 Millionen Euro mehr zur Verfügung. Die Frauenschutzinfrastruktur soll bis 2024 zudem durch zusätzliche Schutzplätze und bessere Barrierefreiheit gestärkt werden.

Dagmar Freudenberg ist Expertin im Bereich der Täterarbeit. © LK OPR
Dagmar Freudenberg ist Expertin im Bereich der Täterarbeit. © LK OPR


29.03.2023 
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